Archiv für den Monat: Mai 2020

Die nicht zu öffnende Cockpittür

Fehlende Beweislage der nicht zu öffnenden Cockpittür

Nicht nur in verschiedenen Berichterstattungen zum Germanwings Absturzes wurde beschrieben, dass ein Pilot die Cockpittür verriegelt haben soll, um den Kollegen auszusperren, sondern auch im offiziellen Abschlussbericht der französischen Untersuchungsbehörde BEA. Ist das je nachgewiesen worden?

Welche Ursache fand die BEA in ihrem Abschlussbericht zu der nicht zu öffnenden Cockpittür?  Folgende Erkenntnisse wurden dort dokumentiert. Auf Seite 122/124, Anlage 3, Brief von der BFU (Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung) wird in Bezug auf die Handlungen des Piloten im Cockpit folgende Aussage gemacht:

die Cockpittür nicht öffnete und somit den Zugang anderer Personen zum Cockpit verhindert hat

https://www.bea.aero/uploads/tx_elyextendttnews/BEA2015-0125.de-LR_04.pdf

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum wurde die Cockpittür nicht geöffnet? Weil der im Cockpit verbliebende Pilot den Kollegen nicht hineinlassen wollte? In der mehr als 10.000 Seiten umfassenden Ermittlungsakte des Germanwings Absturzes ist auf Seite HA 04310 dokumentiert was das Ergebnis des Abhörens des Cockpit Voice Recorders in Bezug auf den Piloten ergab:

Das Abhören der verschiedenen Aufnahmekanäle ergab, dass die Atmung über die Mundmikrophone zu hören war, was bedeutet, dass er lebte, wobei nicht nachzuweisen war, ob er auch bei Bewusstsein war.

Das heisst, es gab keinen Beweis für bewusstes oder gar vorsätzliches Handeln, sondern lediglich die Annahme, dass er lebte, da er atmete.

Der Journalist und Flugsachverständige Herr van Beveren ist dieser Fragestellung im Rahmen eines Gutachtens nachgegangen und geht auf Seite 109 darauf ein.

https://andreas-lubitz.com/wp-content/uploads/2018/04/Gutachten-zum-Germanwings-Absturz-4U9525-S-61-120.pdf

Er untersuchte anhand der Aufzeichnungen des Cockpit Voice Recorder Transkriptes die Atmung des Piloten, nachdem die Cockpittür verschlossen war. Seine Erkenntnis: Innerhalb der nächsten 20 Sekunden beschleunigt sich plötzlich die Atmung des Piloten zur Hyperventilation. Wie Musiker und Flugpassagiere, ebenso wie das Kabinenpersonal aus Erfahrung weiss, kann das in sehr kurzer Zeit zur Bewusstlosigkeit führen. Die Atmung bleibt dann im Zustand der Tachypnoe stabil. Die Tachypnoe, Schnellatmung, ist das Verlangen des Körpers nach mehr Sauerstoff und bewirkt deshalb eine erhöhte Atemfrequenz. Fachleute sprechen von einer akuten Tachypnoe, wenn die betreffende Person mehr als 20 Atemzüge pro Minute tätigt.

Die Atemfrequenz des Piloten betrug 26 Atemzüge pro Minute und blieb über den gesamten Zeitraum konstant, auch in Zeitpunkten zu denen der Mensch laut Theorie der BEA den Autopiloten in äußerst rascher Bewegung und unter vollem Körpereinsatz bediente. Mediziner argumentieren, dass selbst im Zustand der Psychose die unbewussten Reaktionen des vegetativen Nervensystems erhalten bleiben und nicht unterbleiben. Daraus schließen die Mediziner, dass der Mensch nicht im Zustand einer Psychose, sondern im Zustand der Handlungsunfähigkeit/Bewusstlosigkeit war.

Es sei noch angemerkt, dass es keine weiteren Geräuschaufzeichnungen bis zum Aufprall des Flugzeuges gibt, die auf ein aktives Eingreifen des Piloten in die Flugzeugsteuerung hinweisen.

Aus der Ermittlungsakte ist nicht ersichtlich, dass dieser Sachverhalt der erhöhten Atemfrequenz von medizinischen und psychologischen Fachleuten offiziell untersucht wurde.  Daher bleibt die Frage: War der im Cockpit verbliebene Mensch in den letzten 10 Minuten wirklich bei Bewusstsein? Wenn nicht, wäre das eine weitere mögliche Erklärung, warum er nicht die Cockpittür öffnete. Dies hätte im Rahmen von vollständigen Ermittlungen untersucht werden müssen!

Die Cockpittür kann in einem Notfall durch einen dreistelligen speziellen Code geöffnet werden. Dieser Notfallcode, Geheimnis der jeweiligen Fluggesellschaft, ist allen Besatzungsmitgliedern bekannt und wird über eine Tastatur, sprich Keypad, eingegeben. Es stellt sich die Frage, warum konnte die Cockpittür nicht mit dem Notfallcode vom anderen Piloten geöffnet werden? Dieser Fragestellung ist Herr van Beveren in seinem Gutachten nachgegangen. Auf Seite 98 schreibt er, siehe unter:

https://andreas-lubitz.com/wp-content/uploads/2018/04/Gutachten-zum-Germanwings-Absturz-4U9525-S-61-120.pdf

„Eine Untersuchung, ob beispielsweise das Keypad der Cockpit-Tür am Tag des Unfallfluges (oder zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit) eventuell einen Defekt aufgewiesen hat, wurde nicht thematisiert. Dies ist aber nach Ansicht des Gutachters von elementarer Bedeutung, weil es schon kurz nach dem Unfall Hinweise aus Kreisen der Germanwings gab, dass dieses Keypad bereits zu einem früheren Zeitpunkt einmal eine Fehlfunktion beim Versuch die unbeabsichtigt zugefallene Cockpittür am Boden durch Eingabe des Notfallcodes zu öffnen, aufwies.“

Daher die abschliessende Frage: Wurde wirklich ausreichend in Bezug auf den Bewusstseinszustand des im Cockpit verbliebenen Menschen und die einwandfreie Funktion des Keypads ermittelt?

L.G.

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